Der Weinzirkel Dionysos in der Waadt

reise98

An einem der nasskalten Samstagen verliessen 11 Weinfreundinnen und Weinfreunde frühmorgens mit einem Kleinbus die heimatlichen Gefilde Aargaus in Richtung Waadtland. Die Stimmung im Bus war trotz des Wetters fröhlich und alle waren gespannt, was Didier (Vizepräsident Weinzirkel Dionysos) mit uns an den folgenden 2 Tagen vor hatte. Pünktlich nach Programm erreichten wir Lausanne Ouchy um 1130h. Noch immer hatten wir leichten Nieselregen, die Temperatur aber war schon angenehmer. Nach einem kurzen Spaziergang entlang des Piers fanden wir uns im Restaurant Mövenpick zum Mittagessen ein.

Als wir gut gestärkt das Restaurant verliessen, waren die Strassen trocken und da und dort konnten wir schon mal die Sonne erspähen. Ideale Bedingungen also für unsere nächste Etappe, die Schiffahrt auf dem Lac Léman von Ouchy nach Cully. Vom See aus hatten wir einen schönen Überblick über das westliche Lavaux bis hin zu den Rebgärten des Dézaley. Mit einer kleinen Wanderung erreichten wir ausgehend von Cully durch die Rebberge mit den austreibenden Reben Epesses, wo wir im Restaurant "Auberge du Vigneron" auf der Sonnenterrasse eine Pause einlegten.

Nach der Rast brachen wir auf nach Riex zum Winzer Marc-Henri Duboux, der uns zu einer Degustation seiner Chasselas-Weine einlud. Nach einem kurzen Besuch im Rebberg stiegen wir hinab in den Keller. Aus zwei Stahltanks degustierten wir seinen Riex 1997. Der erste war ein extrem fruchtiger und spritziger Weisswein mit Noten von Birnen, Äpfel und einem Hauch Bergamotte, der Zweite war eher dumpf mit verhaltener Frucht und unharmonischem Körper. Der Wein sei frisch abgezogen und daher etwas zerschlagen, sonst aber identisch mit dem Ersten, erklärte uns der Kellermeister Marc-Henri Duboux, nachdem er unsere fragenden Gesichter sah. Der dritte Wein, ebenfalls aus dem Tank, war sein Calamin 1997, mit schöner Frucht und einer präsenten Säure, die den kräftigen Körper stützt. Nach dieser Frischweindegustation aus dem Tank begaben wir uns in einen rustikal eingerichteten Degustationskeller und bekamen nun die Abgefüllten Weine zu kosten.

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Wir begannen mit einem Dézaley 1997, fruchtig und kräftig mit Substanz und Körper. Weiter gings mit einem Calamin 1996, bereits etwas abgerundeter und feiner als die 97er, am Anfang mit einer leicht reduktiven Note (Kapselverschluss), die nach kurzer Belüftung verschwand. Danach servierte uns der Meister einen Calamin 1989, geschliffen und samtig mit wohl dosierter Säure, nach seiner eigenen Aussage ein perfekter Begleiter von Räucherfischen, allen voran Rauchlachs. Als er uns aber einen 86er Calamin auftischte, glaubten wir unseren Geruchs- und Geschmackssinnen nicht mehr trauen zu können: Perfekte Frucht mit Noten von Honig, feiner und spritziger Körper mit schönem Säurespiel und einem langen Abgang, kaum zu überbieten. Niemand von uns die oder der nicht ins schwärmen kam. Verschmitzt lächelnd kam Marc-Henri Duboux stolz mit einer weiteren Flasche aus seinem Lager. Mit dem Zeigefinger verdeckte er den Jahrgang auf der Flasche, doch der Staub verriet uns ein beträchtliches Alter. Nur noch zwei Kisten hätte er von diesem Wein, erklärte er uns etwas traurig, aber stolz: Eine Frucht mit Quitte und Honignoten, die einem förmlich in die Nase katapultiert wird gefolgt von einem Geschmackserlebnis erster Güte: eine feine Säure spielt mit dem runden und vollen Körper, harmonischer und sehr lang anhaltender Wein mit einem wunderbaren Rückaroma: so also schmeckt ein absolut perfekter Dézaley 1983.

Nach dieser Degustation war es bereits Zeit fürs Abendessen im Restaurant "Auberge du Vigneron" in Epesses, wo der Tag bei gutem Essen, feinem Wein und geselligem Beisammensein ausklang.

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Am Sonntag war um 900h Abfahrt vom Hotel, da es unser nächster Termin um 1030h bei Henri Cruchon in Echichens s/Morges einzuhalten galt. Nach einem kurzen Frühstück in einem Café machten wir uns auf den Weg Richtung Echichens und erreichten pünktlich unser Ziel. Henri Cruchon empfing uns herzlich und mit gedeckten Tischen: Waadtländer Saucissons, Käse und Brot hat er aufgetragen. Von seinen Weinen zeigte er uns während 3 Stunden sein ganzes verfügbares Sortiment: von weiss bis rosé und rot, von leicht und spritzig bis gehaltvoll und schwer, von trocken bis süss. Einige seiner Weine möchte ich hier ihres Charakters wegen speziell erwähnen, so zum Beispiel sein Riesling x Silvaner 1997, gekeltert aus der typischen ostschweizer Weissweintraube mit ausgeprägtem Sortencharakter und mehr oder weniger intensivem Muskatgeschmack. Hier in der Waadt aber ergab sie einen feinen fruchtigen Wein mit Bergamotte-Aromen, feiner Säure und delikatem Abgang. Weiter sind da die beiden Chardonnay-Weine von 1997 zu erwähnen, der eine ausgebaut im Stahltank, der andere im Barrique. Ersterer ist ein vollfruchtiger leichterer Wein mit Rasse, der Zweite zeigt buttrige Vanillenoten in der Nase und präsentiert einen muskulösen breiten Körper. Henri Cruchon’s Pinot Noirs sind durchwegs hervorragend, jene, die im Barrique ausgebaut wurden, aussergewöhnlich gut, so zum Beispiel "Le Roquentin Pinot Noir Salvagnin" und "Les Lugrines". Nach seinen Pinot-Weinen zeigte er uns einen ersten Versuch einer Assemblage aus Syrah, Cabernet Sauvignon, Merlot und Gamaret: Intensive rotbeerige Nase mit würzigen Noten von Nelken und Zimt und Pfeffer, breiter ausladender Körper und würziger langer Abgang, eine Super-Cuvée! Eine absolute Spezialität seines Hauses ist der Dessertwein aus vollreifen Chardonnay-Trauben, die in einem gut belüfteten Raum erst angetrocknet werden. Erst bei einem Zuckergehalt von gegen 200o Öchsle werden die Trauben abgepresst und vergoren. Es entsteht ein goldgelber, natursüsser, opulenter Wein mit intensiven Aromen von Honig, Quitten, Aprikosen und einigen balsamische Noten. Im Gaumen ist das Elixier weich und gehaltvoll, mit gut spürbarer Süsse und schöner stützender Säure, die den Wein trotz seines Gehaltes angenehm und erfrischend präsentiert.  

Nach dieser ausführlichen Degustation in der La Côte machten wir uns auf den Weg zum Ausflugsort "Signal de Bougy", den wir nach ca. 1 ½ Stunden Fussweg durch die Rebberge der La Côte an Féchy vorbei auch erreichten. Nach einer knappen Stunde des Geniessens von Sonne, Aussicht, Glace und Getränken hiess es vom Waadtland Abschied nehmen und den Heimweg anzutreten. Nach einem Stopp in der Autobahnraststätte "La Gruyère", wo wir unser Abendessen einnahmen, erreichten wir gegen 20 Uhr unsere heimatlichen Gefilde. Wir alle sind überzeugt, dies war eine perfekt organisierte Weinreise, sehr interessant und abwechslungsreich gestaltet, sowohl önologisch als auch gesellschaftlich.

 

Roland Brütsch

Präsident

Weinzirkel Dionysos